Eps26 mit Karin Lanz, LANUR
Transkript anzeigen
Episode 26 – Gespräch mit Karin Lanz
(Block 1 – Begrüßung bis ca. Minute 15)
Remo:Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Machergeist Podcasts. Heute habe ich eine besondere Gesprächspartnerin – Karin Lanz. Karin, herzlich willkommen, schön bist du da.
Karin:Danke vielmals für die Einladung, Remo. Ich freue mich sehr, hier zu sein.
Remo:Ich starte wie immer mit der gleichen Frage: Wer bist du?
Karin:Das ist eine spannende, aber auch schwierige Frage. Lange Zeit dachte ich, ich könnte sie einfach beantworten. Heute sage ich: Eigentlich ist diese Frage gar nicht so relevant.
Früher habe ich gesagt: Ich bin Moderatorin, Schauspielerin, Unternehmerin, Mutter. Aber das sind nur Rollen. Es beschreibt nicht, wer ich wirklich bin.
Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut – und aus Geist. Manchmal habe ich das Gefühl, dass da sehr viel mehr Geist ist, als ich selbst begreife.
Für mich gilt nicht: „Ich denke, also bin ich.“ Für mich gilt: „Ich fühle, also bin ich.“ Das Handeln, das Tun, das kommt daraus. Aber keine dieser Antworten ist endgültig.
Remo:Du warst jahrelang in der Öffentlichkeit sichtbar – im Fernsehen, auf Bühnen, später auch als Unternehmerin. Wenn du zurückschaust: Was waren für dich Schlüsselmomente?
Karin:Ein Schlüsselmoment war für mich, zu erkennen, wie sehr mein Äußeres meine Identität bestimmt hat.
In meiner Familie hieß es: „Du darfst alles werden.“ Aber unausgesprochen galt: „Solange du den Erwartungen entsprichst.“ Fußballspielerin zum Beispiel durfte ich nicht werden.
Dieses Spannungsfeld hat mich sehr geprägt. Ich habe früh gespürt, wie stark ein weibliches Bild – Haare, Figur, Auftreten – über mein Sein bestimmt. Und das hat mich verletzt. Es hat sogar dazu geführt, dass ich zeitweise fast verstummt bin.
Ich habe ein Modelabel gegründet, in der Mode gearbeitet. Aber irgendwann merkte ich: Es geht nicht darum, was ich tue. Für die Gesellschaft war mein Äußeres wichtiger als mein Inneres.
Remo:Wie hat sich das für dich angefühlt?
Karin:Es war, als wäre das Bild von mir lauter als meine eigene Stimme. Im Fernsehen war alles inszeniert: Maske, Regie, Skript. Ich war Teil davon – und habe mich darin verloren.
Das hat mich verletzt. Auch körperlich. Ich hatte einmal so starke Schmerzen, dass ich dachte, ich werde verrückt. Später habe ich verstanden: Das war der Druck, einem Bild zu entsprechen, das gar nicht meines war.
Remo:Ein großer Wendepunkt in deinem Leben waren deine Geburten. Magst du darüber erzählen?
Karin:Ja, sehr gerne. Beide Geburten waren für mich Schlüsselereignisse.
Die erste Geburt war traumatisch. Körperlich wie seelisch. Alles, was ich zuvor über Geburt gehört und gelernt hatte – durch Familie, Gesellschaft, Filme – verdichtete sich in diesem Moment. Und es war furchtbar. Ich war ausgeliefert, ohnmächtig, hilflos, verletzt.
Die zweite Geburt war das genaue Gegenteil. Sie war friedlich, schmerzfrei, erfüllt von Ruhe. Gegen jede Erwartung. Gegen alles, was mir zuvor beigebracht worden war.
Diese Erfahrung hat mein Leben verändert. Sie hat mir gezeigt: Es geht auch anders. Wahrheit liegt nicht dort, wo man sie gelernt hat, sondern in der eigenen Erfahrung.
Remo:Was hat das mit dir gemacht?
Karin:Es hat mir gezeigt: Wahrheit ist kein Ziel, sondern ein Prozess.
Am Anfang dieser Suche war es schwer, manchmal einsam. Aber irgendwann wurde es ruhig in mir. Dann spürte ich: Das ist meine Wahrheit – und sie genügt mir.
Ich habe auch gelernt, dass Wahrheit nicht etwas ist, das man „erreicht“. Es ist ein Weg, ein ständiges Erkennen, ein Prozess des Wahrnehmens.
Remo:Gab es Erlebnisse, die dich zusätzlich auf diesen Weg geführt haben?
Karin:Ja. Mit 20 hatte ich ein prägendes Erlebnis. Ich war nachts tauchen, 20 Meter tief, ganz allein im Ozean. Es war stockdunkel.
Ich wusste: Wenn ich tiefer gehe, könnte es mich umbringen. Aber gleichzeitig war da diese unendliche Schönheit.
Gefahr und Schönheit – beides gleichzeitig. Das hat mich zutiefst berührt. Und dieses Paradox begleitet mich bis heute.
Remo:Viele Menschen hätten da aufgehört zu suchen. Aber du hast weitergemacht.
Karin:Ja. Meine Suche nach Wahrheit hat nie aufgehört.
Sie ist manchmal unbequem, manchmal einsam – aber sie erfüllt mich. Und ich habe gelernt: Es gibt nicht die eine Wahrheit. Es gibt immer neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen. Wahrheit ist lebendig.
Remo:Du sprichst oft von Wahrheit – und dass sie kein Ziel ist, sondern ein Prozess. Wie hat dich diese Haltung geprägt?
Karin:Sie hat mir beigebracht, dass ich immer wieder loslassen muss. Am Anfang fühlt sich das sehr einsam an, weil man plötzlich nicht mehr die Bestätigung von außen sucht. Aber irgendwann wird es ruhig.
Wenn ich für mich spüre: Diese Antwort genügt mir, auch wenn niemand anderes sie versteht, dann entsteht Frieden.
Remo:Und wie reagiert dein Umfeld darauf?
Karin:Viele verstehen es nicht. Manche halten mich für eigenartig. Aber ich habe gelernt: Das ist in Ordnung. Es braucht Mut, der eigenen Wahrheit zu folgen, auch wenn andere es nicht nachvollziehen können.
Ein Satz begleitet mich: Es reicht, wenn es im Inneren verifiziert ist. Dann muss es im Außen nicht bestätigt werden. Das war eine große Befreiung.
Remo:Das klingt nach einem tiefen, fast spirituellen Weg.
Karin:Ja, absolut. Ich würde meine Reise mittlerweile auch als spirituell beschreiben. Aber nicht in einem esoterischen Sinn, sondern sehr existenziell.
Ich habe verstanden: Wahrheit wird nicht „gefunden“ wie ein Ziel. Sie entfaltet sich, wenn ich bereit bin, die Spannung auszuhalten – zwischen Gefahr und Schönheit, zwischen Einsamkeit und Zugehörigkeit.
Remo:Und dann kam der Übergang vom „Geist“ ins „Machen“.
Karin:Genau. Irgendwann war für mich klar: Ich möchte das, was ich innerlich erkenne, auch im Außen umsetzen.
Nach meiner Zeit im Fernsehen habe ich mich bewusst zurückgezogen. Ich wollte etwas Neues schaffen – etwas, das für mich Sinn macht.
So entstand die Idee für mein Kosmetiklabel Lanur. Für mich war von Anfang an klar: Ich möchte Produkte entwickeln, die nicht nur „weniger schlecht“ sind, sondern echte Lösungen darstellen. Produkte, die in Kreisläufen funktionieren – nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip.
Damals, vor Fridays for Future und Greta Thunberg, war das noch exotisch. Viele haben mich belächelt. Aber für mich war es der einzig logische Weg.
Remo:Du hast gesagt, dass du mit Lanur von Anfang an Kreisläufe ins Zentrum stellen wolltest. Wie sah das konkret aus?
Karin:Die Grundidee war, mit der Natur zu arbeiten – nicht gegen sie. Ich wollte nicht einfach Rohstoffe nutzen und am Ende Abfall hinterlassen, sondern verstehen, wie Natur selbst funktioniert: zyklisch, regenerativ, immer wieder erneuernd.
Cradle to Cradle war für mich die Inspiration. Ein Produkt muss nicht nur „nachhaltig“ klingen, sondern wirklich so konzipiert sein, dass es am Ende wieder in den Kreislauf zurückgeht.
Remo:Das klingt nach einer großen Herausforderung.
Karin:Das war es auch. Ich habe mich ganz bewusst vom Fernsehen distanziert, mich zurückgezogen, und angefangen, mit Wissenschaftler:innen und Entwickler:innen zu arbeiten.
Es gab viele Rückschläge. Besonders bei Themen wie Düften, Verpackung und der Haltbarkeit von Kosmetik.Wir wollten Cremes und Parfums entwickeln, die komplett biologisch abbaubar sind – ohne Kompromisse.
Es war ernüchternd zu merken, wie linear unser Wirtschaftssystem funktioniert. Alles ist auf Massenproduktion, Vereinfachung und Kostenoptimierung ausgerichtet. Die Natur aber ist komplex, individuell und zyklisch.
Remo:Gab es Momente, in denen du dachtest, es geht nicht mehr weiter?
Karin:Ja, viele. Wir haben drei Jahre lang nur an einem Duft gearbeitet, der sich wirklich schnell biologisch abbauen lässt und trotzdem modern wirkt. Die ersten Versuche waren ernüchternd. Entweder es hat nicht funktioniert, oder die Konsistenz war völlig daneben.
Aber für mich war klar: Ich will nicht nur „weniger schlecht“ sein. Das reicht nicht. Ich will Lösungen entwickeln.
Remo:Und wie hast du dich dabei motiviert?
Karin:Einerseits durch mein tiefes Vertrauen in die Natur. Immer wieder zu sehen: Die Natur hat Lösungen. Wenn wir uns ihr zuwenden, zeigt sie uns Wege.
Andererseits durch Begegnungen. Einmal war ich bei einem Vortrag zu Cradle to Cradle – das war für mich wie ein Steilpass. Ich wusste: Das ist die Richtung. Auch wenn ich keine finanziellen Mittel hatte, wusste ich, dass ich den Weg gehen muss.
Remo:Du hast beschrieben, wie schwierig es war, Produkte zu entwickeln, die wirklich in Kreisläufen funktionieren. Was waren die größten Hindernisse?
Karin:Ein großes Thema war die Verpackung. Viele Materialien, die wir kannten, waren zwar „recycelbar“, aber nicht kreislauffähig im Sinne von Cradle to Cradle. Das heißt: Sie ließen sich nicht so zerlegen, dass jedes Element wieder in den Kreislauf zurückgeht.
Ich habe oft gedacht: Warum machen das nicht alle so? Aber die Realität ist: Unser System ist auf lineares Wirtschaften ausgerichtet. Massenproduktion, Standardisierung, Effizienz. Kreisläufe brauchen aber Individualität, Vielfalt und manchmal auch Mehrkosten.
Ein anderes Hindernis war die Duftentwicklung. Viele Naturstoffe sind stark allergen. Da mussten wir Wege finden, Parfums zu kreieren, die gleichzeitig biologisch abbaubar und für die Haut verträglich sind. Das hat Jahre gebraucht.
Remo:Wie bist du mit diesen Hürden umgegangen?
Karin:Ich musste immer wieder Kompromisse ausschließen. Mir war klar: „Weniger schlecht“ reicht nicht. Das ist nicht meine Mission. Ich will das Problem lösen – nicht nur abmildern.
Das hieß, dass wir manchmal drei Jahre an einer einzigen Lösung gearbeitet haben. Zum Beispiel an einem Parfum, das nicht nur biologisch abbaubar ist, sondern sich auch angenehm trägt und den Konsumenten überzeugt.
Remo:Und wie war die Reaktion von Konsument:innen und Partner:innen?
Karin:Gemischt. Manche waren begeistert von der Idee. Andere fanden es zu kompliziert. Viele wollten schnelle Lösungen.
Aber ich habe gespürt: Wenn wir das ernst meinen, dann brauchen wir Geduld. Unternehmertum in diesem Sinne ist für mich ein spiritueller Weg. Ich habe gelernt, mit Rückschlägen umzugehen, und darauf zu vertrauen, dass der Weg sich lohnt.
Remo:Also ist Unternehmertum für dich mehr als nur Wirtschaft?
Karin:Absolut. Für mich ist Unternehmertum ein spiritueller Weg. Es geht nicht nur um Produkte. Es geht darum, Innen und Außen zu verbinden. Geist und Machen.
Unternehmertum ist die Königsdisziplin, in der subjektive und objektive Dimensionen zusammenfinden. Ich will nichts zerstören, sondern beitragen. Das ist für mich Machergeist.
Remo:Wenn du zurückblickst: Was ist das Wichtigste, das du aus diesem Weg mitnimmst?
Karin:Für mich ist klar: Es geht darum, Innen und Außen zu verbinden. Geist und Machen. Nur so entsteht etwas Ganzes.
Ich habe gelernt, dass Unternehmertum nicht nur wirtschaftlich gedacht werden darf. Es ist ein spiritueller Weg. Wir tragen Verantwortung – für Produkte, für Systeme, für die Gesellschaft.
Für mich ist Unternehmertum die Königsdisziplin. Hier kommen alle Dimensionen zusammen: die subjektive innere Suche, die objektive Gestaltung der Welt, das Mitwirken in Kreisläufen, die größer sind als wir selbst.
Remo:Das heißt, Machergeist ist genau dort, wo sich Geist und Machen verbinden?
Karin:Ja. Machergeist entsteht, wenn wir Bewusstsein und Handeln verbinden. Wenn wir uns nicht zufrieden geben mit „weniger schlecht“, sondern uns einlassen auf die Aufgabe, Neues zu schaffen.
Remo:Danke, Karin, für deine Offenheit, deine Klarheit und deine Kraft, die du mit uns geteilt hast.
Karin:Danke dir, Remo. Es war mir eine Freude, dieses Gespräch zu führen.
🎙️ Abschluss
Damit endet Episode 26 mit Karin Lanz.Wir haben über Identität, Wahrheit, Schlüsselmomente und die Suche nach dem Eigentlichen gesprochen – über die Herausforderung, Kreisläufe in einer linearen Wirtschaft umzusetzen – und über Unternehmertum als spirituellen Weg, als Königsdisziplin, in der Innen und Außen verbunden werden.
Neuer Kommentar